2015 / 2016 Elternzeit:  Wandern in den Alpen, Gomera und schließlich mit der Familie im Chevy Van drei Monate durch den Westen Kanadas. Eine intensive und unvergessliche Zeit. Zurück mit Abenteurerbart und den Kopf voller Inspirationen und neuer Projektideen.
Hier entwickelten sich z.B. die Ideen für Brotzeit und unser Hönne-Wasserprojekt…. Es bleibt spannend!

Fazit: Reisen lohnt immer… und eine ausgedehnte Elternzeit kann ich bedingungslos empfehlen!
Reisebericht folgt in unserem Atelier, wenn die Tage kürzer werden.

 

Während dieser Zeit kam auch die Anfrage des Magazins Unternehmertum Südwestfalen für ein Interview zum Thema Produktdesign. Zum Glück hatte ich doch das iPad im Gepäck. Schöne neue Arbeitswelt.

Gedanken zur globalen Verantwortung und  Nachhaltigkeit von Design.

 

Hier das Interview (Juli 2016):

 

Herr Raphael, Sie betreuen Unternehmen unter anderem bei der Entwicklung von Design, um Produkten eine unverwechselbare Identität zu geben. Mit welchen Wünschen kommen vor allem Industrieunternehmen auf Sie zu?

Diese Unternehmen haben eine hohe Kompetenz in ihrem Fachgebiet und entwickeln erstaunliche technische Lösungen. Jedoch wird oft im Entwicklungsprozess klar, dass dem Produkt etwas fehlt, dass man diesem allein mit technischem Know-How nicht geben kann. Ich denke es ist oft das unbestimmte Gefühl, dass dem Produkt Identität fehlt, welches die Unternehmen zu mir bringt. Deshalb ist die Fragestellung zu Beginn des Designprozesses meist sehr allgemein. Der zentrale Wunsch ist ein erfolgreiches Produkt.  

 

Welche Erfahrungen haben Sie in der Zusammenarbeit mit Unternehmen gemacht? Wann werden Sie im Entwicklungsprozess beteiligt und wie?

Die beste Erfahrung, die ich immer wieder mache ist: Design begeistert!
Und dies gilt nicht nur für den Kunden, der letztendlich Spaß an einem guten Produkt haben soll, sondern auch für den Entwicklungsprozess. 

In kleineren Unternehmen sind es meist die Inhaber, in größeren ganze Projektteams, die an der Entwicklung eines neuen Produkts arbeiten und tolle Ideen entwickeln. Die Leute „brennen“ für ihr Projekt. Es ist toll als Designer zeitweise Teil des Teams zu werden und diese Ideen gemeinsam in Form zu bringen. 

Mittlerweile gibt es erfreulicherweise in vielen Unternehmen ein Bewusstsein über die bedeutende Rolle des Faktors Design. Die Unternehmen sind besser informiert über den Designprozess als noch vor einigen Jahren. Designer werden somit auch früher in den Prozess eingebunden. Meistens dann, wenn die technische Lösung des Produkts weitestgehend entwickelt ist. Jedoch würde ich mir wünschen, noch deutlich früher eingebunden zu werden. Denn der Designprozess bedeutet auch, das Produkt immer ganzheitlich im Auge zu haben. Das heißt, neben der technischen Umsetzbarkeit, vor allem auch aus Sicht des Benutzers. Somit stellt der Designer andere Fragen als die Experten aus dem Unternehmen. Dies kann bei einer sehr frühen Einbindung zu überraschenden Lösungen führen. 

 

Was würden Sie als Experte sagen, was sind die wesentlichen Schlüsselfaktoren eines guten Produkt- bzw. Industriedesigns?

Vielfach wird Design nur als die äußere Hülle des Produkts gesehen – als die schöne Form. Diese Sichtweise scheint mir jedoch grundlegend falsch und kann zu keinem guten Ergebnis führen. Ein gutes Produkt entsteht durch eine umfassende Sichtweise. Hierbei müssen oft sehr viele Faktoren berücksichtigt und zu einem schlüssigen Ganzen gefügt werden. Es gibt kein Patentrezept. 

Ganz am Anfang sollte jedoch die Frage stehen: Braucht die Welt dieses Produkt wirklich? Ich denke, ein gutes Produkt zeigt auch die Verantwortung, die wir als Unternehmer für die globale Gemeinschaft und unsere Umwelt tragen. Ich bin davon überzeugt, dass diese Fragen zunehmend an Bedeutung gewinnen. So kann es auch sinnvoll sein, auf die Entwicklung eines Produkts zu verzichten. 

 

Wo liegen Ihrer Meinung nach die größten Herausforderungen beim Thema „Industriedesign“? Wie schafft man es vermeintlich „banale“ oder auch hochtechnisierte Produkte für den Markt attraktiv zu machen?

Die größte Herausforderung ist in meinen Augen, die Komplexität eines Produkts auf das Wesentliche zu reduzieren –  die Dinge für den Nutzer einfach zu halten. Dies ist nicht nur eine rationelle Aufgabe, sondern auch immer ein Stück weit Intuition. Wenn dies aber funktioniert, schafft man es beim Kunden ein Aha-Erlebnis auszulösen. Ein Produkt dessen Funktion sich selbsterklärend erschliesst und das Spaß macht im Gebrauch und zudem noch schön ist. 

 

Welchen Nutzen hat Industriedesign speziell im Maschinen- und Anlagenbau?

Ich sehe hier im Wesentlichen zwei große Vorteile von gutem Design. 

Der meiner Meinung nach wichtigste Aspekt ist die gute Benutzbarkeit. Eine übersichtlich und eindeutig gestaltete Maschine erleichtert die Bedienung und macht die Arbeit angenehmer und sicherer. 

Für den Produzenten der Anlage hat ein ausgereiftes Produkt, dass diese technische Überlegenheit auch durch ein entsprechendes Design zeigt, natürlich eindeutige Vorteile: Die Maschine lässt sich besser verkaufen und stützt im Idealfall durch ein typisches Design das Image des Unternehmens. 

 

„Form follows function“ – ein Designleitsatz der insbesondere im Produktdesign und der Architektur immer wieder Anwendung findet. Würden Sie ihn genauso unterschreiben oder darf es auch mal anders herum sein?

Ich komme ja ursprünglich aus dem Handwerk und der Architektur und fühle mich den Gestaltern des Bauhaus, die diesen Satz ja prägten, nach wie vor verbunden. 

Der bedeutendste Aspekt des Produktdesigns ist für mich nach wie vor die gute und damit auch selbsterklärende Funktion des Produkts. Nach meinem Verständnis bedeutet der Satz: Das Produkt zeigt wie es funktioniert. 

 

Wie sieht die Zukunft des Industriedesigns aus?

Technisch sind wir im Moment in einer sehr spannenden Phase. Die digitale Technik eröffnet uns insbesondere durch CAD und digitale Fertigungstechniken wie dem 3D-Druck ganz neue Möglichkeiten. Man kann mittlerweile sehr kleine Serien zu günstigen Preisen produzieren.  So kann man in einigen Bereichen auch mit einem kleinen Budget gute Produkte entwickeln und auf den Markt bringen. Dies ist sehr spannend, da dies auch zu einer Demokratisierung der Produktentwicklung führt und sogar losgelöst von kommerziellen Interessen geschehen kann. Es wäre wünschenswert, wenn auch diese Produkte mit einem guten Design überzeugen könnten. Das heißt, wir benötigen eventuell auch neue Modelle um solche Projekte zu finanzieren. Zudem bieten diese Techniken auch neue Möglichkeiten der Individualisierung von Produkten.

Ich denke, wir Produktdesigner haben auch zunehmend die Aufgabe Produkte ganzheitlich in den Blick zu nehmen. Das heißt, auch eventuell unbequeme Fragen nach fairen Produktionsbedingungen, Materialkreisläufen, globalem Fußabdruck, etc. zu stellen und damit Verantwortung für unser Handeln zu übernehmen.